Den öV komplett neu denken
«Mit dem autonomen Bus am Rheinfall bin ich selbstverständlich mitgefahren», sagt Thomas Sauter-Servaes, den wir in einem Kaffee in Winterthur treffen. «Darum weiss ich auch, dass die Verkehrsbetriebe Schaffhausen auf Elektromobilität umsteigen.» Für Sauter-Servaes liegt der Umstieg auf der Hand, denn Verkehrsbetriebe wie die vbsh können insbesondere in der Schweiz eine Art ‹Eisbrecher› spielen. «In der Schweiz werden rund ein Drittel des klimaschädlichen CO2 durch den Verkehr produziert. Da lohnt es sich, den Hebel anzusetzen.»
Doch wer auf Elektromobilität setze, müsse den öV komplett neu denken. «Als Betreiber sollte ich alles hinschmeissen und von vorne beginnen», sagt Sauer-Servaes. Will heissen: Nicht einfach Busse durch Busse ersetzen, das funktioniere nicht. «Wer umstellt, muss auch die Infrastruktur anpassen, diverse Hintergrundsysteme, die Arbeitsplätze der Mechaniker und auch die Arbeit des Fahrpersonals ist nicht mehr dieselbe.» Elektromobilität im öffentlichen Verkehr erfordert zwingend auch ein breites Umdenken im Unternehmen oder einfacher, eine Transformation.
Der Fehler, den viele beim Umstieg machen, sei sich zu sehr technisch oder politisch treiben zu lassen. «Der Kunde geht dabei völlig vergessen», bemängelt Sauter-Servaes. Vielmehr müsse der öffentliche Verkehr von Innen entwickelt werden – wobei innen die Kundensicht meine. Elektrobusse sind dabei nur ein logischer Zwischenschritt auf dem Weg in die Zukunft des öffentlichen Verkehrs.
«Wer mithalten will, muss innovativ sein», sagt Sauter-Servaes. «Die Automobilhersteller sind da bereits viel weiter und entwickeln ‹grüne› Autos. Um das Verkehrsproblem zu lösen, müssen wir jedoch wegkommen vom ‹Besitzen› hin zum ‹Teilen›. Und gerade da haben mittlerweile auch die Automobilhersteller die Zeichen der Zeit erkannt.»
Im regulierten Schweizer Markt werden die Verkehrsbetriebe nicht so schnell verschwinden. Gerade als Massentransportmittel in den Städten sind sie unentbehrlich. Spannender ist aber, wie individuelle Mobilitätsbedürfnisse jedes Einzelnen in Zukunft mit dem öV erfüllt werden können. «Diese Angebote gilt es jetzt zu denken», sagt Sauter-Servaes. Die Transportunternehmen sind also aufgefordert, sich aktiv an der Zukunft zu beteiligen. Auch die vbsh müssen hier Ihren Teil zur Zukunft des öffentlichen Verkehrs beitragen.
Thomas Sauter-Servaes leitet den Ingenieurstudiengang Verkehrssysteme an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Sein Forschungsschwerpunkt sind innovative Mobilitätsangebote. Er promovierte an der TU Berlin und arbeitete u.a. als Geschäftsentwickler bei DB Fernverkehr, Tourismusreferent beim Verkehrsclub Deutschland und Mobilitätszukunftsforscher am Institut für Transportation Design.