«Die Ticketeria ist mehr als eine Verkaufsstelle» – drei Jahrzehnte persönliche Beratung
Karin Tanner, machst du auch zu Hause – in der Familie – die Reiseplanung?
Ja, immer. Ich plane unsere Reisen, die kürzeren und die langen und frage dann meinen Mann, ob es ihm gefällt. Er sagt immer ja (sie lächelt).
Seit 1995 bedienen die vbsh die Fahrgäste mit Billetten und Abonnementen, aber auch mit Rat und Tat. Wie sieht das Sortiment aus, was kann man alles kaufen in der Ticketeria?
Wir können im öffentlichen Schweizer Reiseverkehr alles anbieten: Einzelbillette, Abonnemente, Halbtax- und Generalabos, Platzreservationen, Schiff- und Seilbahnbillette oder Gruppenbillette. Seit wir die neue Beratungs- und Verkaufsapplikation CASA haben, sind wir in der Tat eine «kleine SBB». Nur Auslandreisen kann man bei uns nicht buchen.
Gibt es zusätzliche Leistungen, die angeboten werden?
Aber ja, wir haben jeden Tag Touristen aus vielen verschiedenen Ländern: Wir geben ihnen Auskunft, schicken sie zum Beispiel an den Rheinfall, auf den Munot oder geben eine Übersicht naher Hotels. Ausserdem bieten wir seit 2024 ein kleines Sortiment an praktischen Geschenkartikeln an, die beim Reisen nützlich sind.
Wie bezahlen die Ticki-Kunden ihre Billette. Spielt Bargeld noch eine Rolle?
Hier im persönlichen Verkauf sind es die klassischen Bezahlmittel, die unsere Fahrgäste einsetzen: Kartenzahlung, Bezahl-Apps und Bargeld. Der Bargeldanteil ist hoch, ich schätze ihn übers Jahr gesehen auf rund 40 Prozent. Es gibt Schwankungen, die von der Höhe der Verkaufssumme abhängen. Jahresabonnemente werden eher mit Karte oder App bezahlt.
Gab es vor 1995 keinen persönlichen Ticketverkauf in Schaffhausen?
Doch, in den Anfängen des stationären Verkaufs am Bahnhof gab es einen Verkaufswagen, der immer über das Monatsende an der Schwertstrasse aufgestellt wurde. Monatsabonnemente endeten damals am letzten Tag des Monats und mussten daher um den Monatswechsel erneuert werden.
In den letzten 30 Jahren hat das Ticketsortiment mehrmals Veränderungen erfahren. Wie hat sich das entwickelt?
Am 1. Juni 1988 schlossen sich die Deutsche Bahn, Südbadenbus, die SBB, PostAuto sowie die Verkehrsbetriebe Schaffhausen und die damalige ASS (Autoverbindung Schaffhausen-Schleitheim) zum Abonnentenverbund Flextax zusammen. Verkauft wurden noch die guten alten Kartonbillette. Im Juni 2012 wurde aus dem Aboverbund Flextax der Integrale Verbund (ITV Flextax) mit Einzelbilletten und Tageskarten – ein Tarif für alle Transportunternehmen und damit verbunden die Abschaffung der Haustarife. Seit dem Fahrplanwechsel 2018 gehören die vbsh zum Tarifverbund Ostwind und damit liegt die Tarifhoheit in St. Gallen – natürlich im Rahmen des geltenden Einflusses von Kanton und Bund. Aber seither gilt auch in Schaffhausen das Zonensystem, das im ganzen Ostwind zur Anwendung kommt.
Zufriedene Kunden sind das beste Marketing. Wie gehen Sie mit Reklamationen um?
In der Tat, in der Ticketeria betreuen wir auch die Reklamationen – mündlich und schriftlich. Bei berechtigten Ansprüchen verhalten wir uns kulant, wir sind freundlich und lösungsorientiert. Immer wieder ratlos machen uns die Fälle, in denen wir nicht helfen können. Wenn beispielsweise die Sauberkeit der Haltestellen bemängelt oder das fehlende Dach an der Haltestelle kritisiert wird. Die Haltestellen gehören der Stadt, den Gemeinden oder dem Kanton und diese sind auch zuständig für deren Bau und Unterhalt.
Bahnhöfe sind in aller Regel keine Friedensinseln. Arbeiten die Mitarbeitenden in der Ticketeria darum hinter dickem Panzerglas. Hat es in den letzten Jahren auch gefährliche Momente gegeben?
Es gibt schon hin und wieder unangenehme Situationen. Meistens hat es mit Billettkontrollen zu tun – Fahrgäste, die sich ungerecht behandelt fühlen durch den ausgestellten Kontrollzuschlag. Bei aggressivem Verhalten oder wenn ein Fahrgast den Verkaufsraum einfach nicht verlassen will, rufen wir jeweils die Polizei.
Verkauf ist ein «People-Business». Gibt und gab es auch Kontakt mit berühmten Menschen?
Unser bekanntester Gast in den letzten Jahren war Roberto di Matteo, Schaffhauser und früher Trainer und Champions-League-Sieger mit dem FC Chelsea. Er kaufte ein Bahnbillett.
Die Digitalisierung und das Mobiltelefon verändern die Welt. Stellen Sie diesbezüglich eine Veränderung fest im Kundenverhalten?
Einerseits nimmt der Anteil der Fahrgäste zu, der digital bezahlt, anderseits gibt es immer wieder Kundinnen und Kunden, die Berührungsängste haben mit der neuen Technologie. Wir helfen dann ganz praktisch beim Einrichten einer App auf dem Mobiltelefon und Anleitungen zur Bedienung.
Wo geht die Reise hin im Ticket- und Aboverkauf? Gibt es noch Verkaufsstellen in 20 Jahren?
Die Ticketeria ist ja mehr als eine Verkaufsstelle – sie ist und wir verstehen uns als Kundencenter. Wir bieten persönlichen Kontakt, persönliche Beratung und das hat auch in Zukunft weiterhin Zukunft! Es ist ein menschliches Bedürfnis, nicht nur mit Bildschirmen und Avataren zu interagieren. Manchmal sind wir auch Fundbüro, wenn etwas im Bus vergessen oder verloren ging.
Zum Schluss: die schönste Anekdote aus 30 Jahren Ticketeria?
Es gibt viele, aber diese hier gefällt mir aus persönlichen Gründen gut: Eines Tages stand eine Familie Tanner aus Kanada in der Ticki. Sie seien aus Bargen (SH), ob es denn Küchenempfehlungen gebe. Nun ja, ich habe sie an die Tankstelle Haafpüntstrasse in Bargen geschickt – dort trifft sich das halbe Dorf zum Kaffee. Geführt wird die Tankstelle: von einem Tanner.
Karin Tanner ist in Schaffhausen geboren und in Bargen aufgewachsen. Sie ist verheiratet, hat zwei Kinder, ein Enkelkind und wohnt im Durachtal. Ihre berufliche Laufbahn begann sie mit einer Lehre als Hotelfachfrau, gefolgt von einer Postlehre. Nach einem familienbedingten Unterbruch nahm sie 2001 ihre Dienstleistungskarriere bei den vbsh wieder auf.